Eine Podiumsdiskussion nähert sich dem Wesen und der Wirkung von Spiritualität aus christlicher und islamischer Sicht.

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Arkadius Guzy

Die Stadt Heilbronn als Gastgeberin und das Rathaus als Ort einer Diskussionsrunde mit religiöser Thematik mag auf den ersten Blick etwas ungewohnt anmuten. Doch in der Stadtgesellschaft leben Menschen aus mehr als 150 Herkunftsnationen, wie erster Bürgermeister Martin Diepgen verweist. So ist es für ihn ein Anliegen, Kraftquellen zu nutzen, um „die heterogene Stadtgesellschaft zusammenzuhalten“. Inwiefern Spiritualität eine solche Kraftquelle sein kann, ob sie einen Mehrwert bieten kann, beleuchten zwei Religionsphilosophen aus christlicher und islamischer Sicht.

Vor den Publikumsreihen im großen Ratssaal der Stadt Heilbronn sitzen die Professoren Ahmad Milad Karimi (Universität Münster) und Holger Zaborowski (Universität Erfurt). Später erweitern Beate Schmid, katholische Religionspädagogin, und Berk Ekici, Student, Mitgründer, ehemaliger Vorsitzender und nun Ältestenrat der Muslimischen Studierenden Heilbronn (MSH), das Spektrum der Podiumsgäste.

Vor den Publikumsreihen im großen Ratssaal der Stadt Heilbronn sitzen Ingrid Wegerhoff von der Katholischen Erwachsenenbildung Stadt- und Landkreis Heilbronn, Religionspädagogin Beate Schmid, Professor Ahmad Milad Karimi, Professor Holger Zaborowski, Berk Ekici (Muslimische Studierende Heilbronn) und Janina Stolz von der VHS Heilbronn. Foto: DRS/Guzy

Ein diffuser Begriff wird konkret

Die beiden Moderatorinnen Janina Stolz von der VHS Heilbronn und Ingrid Wegerhoff von der Katholischen Erwachsenenbildung Stadt- und Landkreis Heilbronn – die Stabsstelle Chancengerechtigkeit der Stadt Heilbronn, die MSH und die AG Gleichwert des katholischen Dekanats Heilbronn-Neckarsulm gehören neben den beiden Einrichtungen zu den weiteren Veranstaltungspartnern – wollen zunächst wissen, was Spiritualität eigentlich ist. Das Wort Spiritualität sei diffus, erklärt Zaborowski. Der Begriff sei modisch. „Spiritualität ist vielfach an die Stelle von Religion getreten“, sagt er. Bei Spiritualität gehe es aber um eine bestimmte Lebensweise, eine Praxis des Religiösen – und darum, dass „Menschen bestimmte Grundfragen haben“.

Für Karimi besagt Spiritualität, „nach der tiefen Bedeutung des eigenen Selbst zu fragen“. Es kommt darin laut dem islamischen Theologen „Distanz zu uns selbst und den Dingen, die wir tun“ zum Ausdruck.

Professor Ahmad Milad Karimi und Professor Holger Zaborowski stellen sich den Fragen von Ingrid Wegerhoff (links) und Janina Stolz (rechts). Foto: DRS/Guzy

Persönliche Gebetserfahrung

Nach Ansicht der beiden Professoren äußert Spiritualität sich in einer bestimmten Haltung. Sie entfaltet laut Karimi vor allem eine Wirkung: „sensibel für den Schmerz der anderen“ zu sein. Denn für ihn ist Spiritualität „kein Wohlfühlraum“. „Ich soll als spiritueller Mensch nicht leicht schlafen können“, sagt Karimi. Er berichtet von der persönlichen Erfahrung, dass nach Vollendung des abendlichen Gebets der Schlaf weg sei.

Zaborowski bringt als weiteren Aspekt die Erkenntnis der eigenen Geschöpflichkeit in die Diskussion ein. Sie entlaste von dem Druck, den letzten Sinn in einem selbst finden zu müssen. Denn Geschöpflichkeit heißt: „Du darfst sein.“

Begegnungen im Raum der Stille

Die Bibel in den Mittelpunkt zu stellen, ist für Schmid ein Weg, bei Menschen die Sehnsucht nach Spiritualität zu wecken. Ekici berichtet konkret, wie Spiritualität Menschen zusammenbringt: Er schildert Begegnungen im Raum der Stille am Bildungscampus Heilbronn.

Dass spirituelle Menschen sich verstehen und Gemeinsamkeiten haben, wird so nicht nur in den Ausführungen der beiden Religionsphilosophen, die viele Schnittpunkte haben, deutlich.