18. Dezember 2023

GLAUBE, HOFFNUNG, POLITIK

Gesine Schwan blickt bei der Katholischen Erwachsenenbildung Stadt- und Landkreis Heilbronn auf die Themen ihres Lebens.

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Arkadius Guzy

Sie ist Politikwissenschaftlerin, Präsidentin der Berlin Governance Platform und Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission. Zweimal – 2004 und 2009 – kandidierte Gesine Schwan für das Amt der Bundespräsidentin. Und sie ist zugleich Katholikin. Für Schwan entfaltet der Glaube eine wichtige Wirkung.

Davon erzählt sie den etwas mehr als 70 Zuhörerinnen und Zuhörern im Saal des Heinrich-Fries-Hauses Heilbronn. Ihr Leben, ihr Glaubensbild kommen bei der Veranstaltung der Katholischen Erwachsenenbildung Stadt- und Landkreis Heilbronn (KEB) und des Literaturhauses Heilbronn zur Sprache. KEB-Leiterin Ingrid Wegerhoff und Anton Knittel, Vorsitzender der KEB und Leiter des Literaturhauses, fragen aber auch nach der deutsch-polnischen Verständigung, Europa, Gefahren für die Demokratie und KI.

Aktiv für Demokratie

Zu all diesen Themen wollen die beiden die Einschätzungen der mittlerweile 80-jährigen Politikwissenschaftlerin und SPD-Politikerin erfahren, um herauszufinden: „Warum ich die Hoffnung nicht aufgebe.“ Schließlich werde die heutige Zeit als bedrückend erlebt, wie erster Bürgermeister Martin Diepgen in seinem Grußwort zu Beginn erklärt. Mit Stichworten wie Ukraine-Krieg und dem Konflikt im Nahen Osten beschreibt er den aktuellen Rahmen.

„Warum ich die Hoffnung nicht aufgebe“ ist der Titel eines Buches mit Gesprächen, die Holger Zaborowski im vergangenen Jahr mit Schwan geführt hat. Zaborowski, Professor für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, sitzt daher mit auf dem Podium. Er setzt, dem katholischen Prinzip der Subsidiarität folgend, bei der untersten Ebene an, den Kommunen. Das sei die Ebene, auf der man selbst aktiv werden könne, aber auch müsse. Denn: „Demokratie ist Arbeit und macht Mühe.“

Glaube und Vertrauen

„Die völlige Diskreditierung von Politik hat Jahrzehnte gedauert“, sagt Schwan. Lösungen allein dem Markt zu überlassen, führte aus ihrer Sicht dazu. Schwan setzt stattdessen auf Partizipationsmodelle. Und hier kommt in der Diskussion auf dem Podium der Glaube ins Spiel: „Glaube als Vertrauen“, wie es Schwan formuliert. Für sie geht es um das Vertrauen, dass die Menschen nicht nur ihre eigenen Interessen verfolgen, sondern auch das Gemeinwohl im Blick haben.

„Wir haben nicht die erste Krise seit 2000 Jahren“, sagt Zaborowski. Das Aufkommen eines neuen Mediums hat in der Geschichte immer zu Veränderungen geführt, wie er mit Blick auf die Digitalisierung ausführt.

Die Krise der Kirche

Beim Thema Krise schlägt Wegerhoff den Bogen zur Krise der Kirche. Wenn diese Glaubwürdigkeit neu aufbauen müsse, sei das eine Chance, sagt Schwan. Sie ließ sich mit 21 Jahren taufen, wie sie aus ihrem Leben erzählt. Schwan zitiert die Zuschreibung, sie sei „die Protestantischste unter den Katholiken“, denn reine Autoritätsgläubigkeit gegenüber der Kirche ist nicht ihre Sache und passt nicht zu ihrem freien Denken. Trotzdem sagt sie, dass der Glaube an die Frohe Botschaft tradiert werden müsse, und das gehe nicht ohne die Institution.

Bei der Migrationsfrage, dieser globalen Herausforderung, die nicht aufhören werde, attestiert Schwan der Kirche, dass sie aufrecht sei: „Das ist ein Verdienst.“  

„Ins Offene zu gehen, es zu wagen, ist ein entscheidender Punkt des Glaubens“, sagt Schwan. Das darf am Ende des Gesprächsabends, den die Band RAHÎ mit ihren Eigenkompositionen musikalisch reflektiert, als ihr Hoffnungscredo gelten. „Hoffnung ist etwas, was geschenkt wird. Und ein Geschenk darf man nicht zurückweisen“, meint Zaborowski.

Grußwort des 1. Bürgermeisters Martin Diepgen zur Veranstaltung anlässlich des 50-jährigen Jubiläums

Sehr geehrte Frau Professorin Schwan, 
sehr geehrter Herr Professor Zaborowski,
Hochwürden, sehr geehrter Herr Dekan Rossnagel,
liebe Gäste,

liebe Frau Wegerhoff, lieber Herr Doktor Knittel, Sie können sich freuen. Ihre Veranstaltung ist sehr gut besucht. Erstaunlich ist dies nicht, angesichts des Angebots, des hochkarätig besetzten Podiums, aber nicht zuletzt auch angesichts des Themas.   Es geht um Hoffnung, dass wir sie nicht aufgeben. 

Sehr geehrte Frau Schwan, schön, dass Sie wieder einmal in Heilbronn sind. Soweit ich weiß, zum zweiten Mal hier im Heinrich-Fries-Haus. 

Heute stellen Sie Ihr Buch vor „Warum ich die Hoffnung nicht aufgebe“, das im Gespräch mit Herrn Professor Zaborowski entstanden ist. Sie wollen uns Ihre Gedanken näherbringen. Im Gespräch mit Professor Zaborowski und den beiden Mitstreitern der keb, Ingrid Wegerhoff und Dr. Anton Knittel. Das lässt Gutes erwarten. 

Hoffnung – ein Wort mit hellem Klang in einer Zeit, die man nicht von ungefähr trübe nennen darf. Die Hoffnung nicht aufgeben. Dieser Anspruch klingt in eine Zeit hinein, die viele Menschen angesichts schlimmer Nachrichten als bedrückend erleben, die droht Menschen in Mut- und auch Hoffnungslosigkeit zu stürzen. Wer lässt sich in diesen Tagen nicht niederdrücken von den erschütternden Bildern und Nachrichten aus der Ukraine und dem Nahen Osten und angesichts militärischer Bedrohung. Wer erschrickt nicht vor den Warnungen der Wissenschaftler zum Klimawandel und vor den großen Herausforderungen, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft zu bewältigen haben. Wer fürchtet nicht um den gesellschaftlichen Zusammenhalt angesichts knapper werdender Ressourcen, drohenden Wohlstandsverlusts bei steigenden Ansprüchen. Viele rufen in diesen Tagen nach dem Staat, aus Verzweiflung, weil sie nicht zurechtkommen, andere aus einem sehr eigenen Anspruchsdenken heraus. 

Vielfach fehlt es an dem Blick für das, was Hoffnung machen kann, an der nötigen Energie, den Lichtstreif am Horizont zu suchen, ihn finden zu wollen und dem Mut ihn dann auch zu fokussieren. 

Der Titel Ihres Buches „Warum ich die Hoffnung nicht aufgebe“, verspricht Ihr Zeugnis: Warum Sie die Hoffnung nicht aufgeben. Wir brauchen solches Zeugnis. Alleine schon die Bereitschaft zu solchem Zeugnis stimmt mich dankbar. Unsere Kirche, derzeit leider sehr in sich selbst gefangen, droht gerade diese Antwort schuldig zu bleiben. Und das in diesen Zeiten -. 

Dass es guten Grund gibt, sich in Optimismus, Zuversicht und Hoffnung zu üben, konnte uns am Montag dieser Woche bewusstwerden, bei der Gedenkfeier für die Bombardierung Heilbronns am 4. Dezember 1944, als das alte Heilbronn in Schutt und Asche unterging und mehr als 6500 Menschen den Tod fanden. Hätten die Menschen damals nicht allen Grund gehabt, den Mut und die Hoffnung zu verlieren? Genau das aber haben sie nicht. Stattdessen haben sie unser Land, unsere Stadt um- und wiederaufgebaut und einen Staat geschaffen, der in vielerlei Hinsicht vorbildlich war und auch heute noch ist. 

Dieser Blick zurück zeigt auch, wie wichtig es ist, Themen zu ergründen, aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und einzuordnen. Und uns nicht nur leiten oder gar verleiten zu lassen durch diejenigen, die das Meinungsbild bestimmen. Oft genug sind das diejenigen, denen es gelingt, in den (sozialen) Medien die Meinungsführerschaft zu übernehmen. 

Die Katholische Erwachsenenbildung Stadt- und Landkreis Heilbronn hat sich dieses seit 50 Jahren zur Aufgabe gemacht. Mit ihrem breiten Bildungsangebot aus den Bereichen „Theologie, Spiritualität & Philosophie“, „Gesellschaft & Politik“ und „Kunst, Literatur & Kultur“ greift sie eine Vielzahl gesellschaftlich relevanter Themen auf. Mit Lesungen, Vorträgen, Diskussionen eröffnet sie die Möglichkeit, den Horizont zu weiten und bietet Begegnung und Austausch. Ein wertschätzender Umgang, das Eintreten gegen Rassismus und für die Würde des Menschen, für Gleichberechtigung und für eine gelingende Kommunikation sind dabei zentrale Anliegen. Die Katholische Erwachsenenbildung ist und wird immer wieder neu durch solches Tun zum Hinweis darauf, dass es guten Grund zur Hoffnung gibt. 

Die Stadt Heilbronn hat als Bildungs- und Wissensstadt den Anspruch, lebenslanges Lernen zu ermöglichen. Der gebührenfreie Kindergarten bis hin zu den aufwachsenden Einrichtungen auf unserem Bildungscampus und bis hin zu den Anstrengungen im Rahmen des Tranformotive-Projektes machen dies schlaglichtartig deutlich.  

Die keb hat ihren festen Platz in der Wissensstadt Heilbronn. Sie lädt ein zur Reflexion und verweist auf vielfältige Weise auf den Grund aller Hoffnung. Damit begründet sie Verhaltensweisen, welche unserer extrem heterogenen Stadtgesellschaft guttut. Wider subtil vorgetragene Fremdenfeindlichkeit, Brücken bauen, Verständnis wecken, Lösungen – gemeinsam – suchen, Verantwortung nicht auf andere abwälzen, sondern Verantwortung übernehmen und tragen, eigene Stärken einbringen, den konstruktiven und lösungsorientierten Dialog untereinander führen. Deutlich machen: es wird Lösungen geben. 

Die keb hat ihren festen Platz in der Wissensstadt Heilbronn. Im besten Falle gelingt es ihr Herzensbildung zu vermitteln und Haltung zu prägen.

Mit Freude gratuliere ich Ihnen zum Jubiläum, dem 50. Geburtstag und sage den Macherinnen und Machern herzlichen Dank. Stellvertretend für alle: Ihnen, liebe Frau Wegerhoff als Geschäftsführerin, und Ihnen, lieber Dr. Knittel – in Personalunion als Vorsitzender des Trägervereins Katholische Erwachsenenbildung Kreis Heilbronn e. V. und Leiter des Literaturhauses Heilbronn, mit dem die keb kooperiert.

Ich freue mich auf den weiteren Abend.

Im Römerbrief ist so wunderbar formuliert:

„Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns geschenkt ist.“  Röm 5,5